Hygiene-Papst Pittet: Händehygiene rettet fünf bis acht Millionen Menschenleben im Jahr

Didier Pittet gilt als Weltbotschafter der Händehygiene *** Dieses Foto ist für redaktionelle Zwecke bestimmt. Bis 23. Juni 2026 lässt es sich honorarfrei veröffentlichen, danach braucht es eine neue Lizenz – nähere Infos auf www.picturedesk.com. Fotograf: Salvatore Di Nolfi Bildrechte: Salvatore Di Nolfi/Keystone/picturedesk.com Ort der Aufnahme: Genf, Schweiz

„Wer jemanden im Krankenhaus besucht, muss sich die Hände desinfizieren“, so der langjährige Berater der Weltgesundheitsorganisation – Pittet kommt am 26. Juni 2025 nach Österreich

Wien/Zell am See, 24. Juni 2025 – Es „dauert 20 Sekunden und in diesen Sekunden können Sie die Ausbreitung des Todes bannen.“ Der Epidemiologe Didier Pittet äußert sich über Händehygiene. Fünf bis acht Millionen Menschenleben im Jahr rette Händehygiene weltweit, zugrunde lägen „konservative Schätzungen“. Pittet lehrt an den Genfer Universitätskliniken. Regelmäßig berät er Einrichtungen wie die Weltgesundheitsorganisation und die französische Präsidentschaftskanzlei. Am 26. Juni 2025 referiert der Medizinprofessor auf dem Internationalen Hagleitner-Hygieneforum in Zell am See (Österreich). Parat hat Pittet unter anderem Tipps für den Alltag, wie Händehygiene funktioniert und was es auf Reisen zu beachten gibt. Folgendes Interview erscheint vorab. Es behandelt auch globale Herausforderungen: Infektionsschutz solle nachhaltig greifen, Pittet fordert „Klima-Resilienz“ – so laute das Gebot der Stunde.

Interview mit Didier Pittet

Wie viel Menschenleben rettet Händehygiene jedes Jahr weltweit? Trauen Sie sich eine Schätzung zu? Angenommen, Händehygiene passiert konsequent und überall auf der Welt: Welches Potenzial ergibt sich?

Pittet: Händehygiene rettet Leben: Millionen. Laut Einschätzung der WHO und unseren Erfahrungen kann Händehygiene bis zu 50 Prozent der Krankenhausinfektionen abwenden. Diese Infektionen sind jedes Jahr für Millionen Todesfälle verantwortlich, speziell in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Konservative globale Schätzungen sagen: Jedes Jahr werden fünf bis acht Millionen Menschenleben durch effektive Händehygiene gerettet.

Dabei ist das Potenzial wesentlich größer. Würde jede Gesundheitseinrichtung auf der Welt Händehygiene als Basis vor Ort implementieren, könnten jährlich Millionen weiterer Leben gerettet werden – insbesondere von Müttern, Neugeborenen und schwer kranken Patienten. Diese Basis fehlt oft noch in einkommensschwachen Gebieten der Welt – mindestens bei der Hälfte der Einrichtungen. Wie ich vor einigen Jahren gesagt habe: „Händehygiene dauert 20 Sekunden und in diesen Sekunden können Sie die Ausbreitung des Todes bannen.“

Wie funktioniert Händehygiene richtig? Gibt es im Gesundheitswesen verpflichtende Standards? Was genau muss ich machen, wenn ich jemanden im Krankenhaus besuche?

Pittet: Der Goldstandard für Händehygiene im Gesundheitswesen ist die alkoholbasierte Händedesinfektion. Sie ist schnell, wirksam und deutlich effektiver als Seife und Wasser gegen die meisten Keime – samt denen, die tödliche Krankenhausinfektionen verursachen. „Meine fünf Momente der Händehygiene“ heißt das Framework der Weltgesundheitsorganisation; es ist der international anerkannte Standard, der weltweit in Krankenhäusern verwendet wird. Dieser definiert genau, wann medizinisches Personal und Besucher Händehygiene praktizieren sollten, um Patienten und sich selbst zu schützen.

Für Besucher ist es simpel, aber entscheidend: Reiben Sie Ihre Hände mit alkoholbasiertem Desinfektionsmittel ein, bevor Sie Kontakt zum Patienten haben und wenn Sie das Zimmer verlassen. Dieser Zeitpunkt ist jeweils entscheidend, um Folgendes zu verhindern: Dass Keime in die Umgebung des Patienten gelangen oder von dort aus verbreitet werden. Seife und Wasser braucht es nur, wenn die Hände sichtbar verschmutzt sind. Wer als Besucher diese Basisroutine einhält, wird Teil des Sicherheitssystems – und hilft mit, das Problem zu lösen.

Sollten Menschen auch privat die Händehygiene ernster nehmen – etwa auf Reisen? Reicht es privat aus, sich die Hände zu waschen? Oder gibt es genauso Situationen, in denen ausdrücklich Desinfektion nottut?

Pittet: Ja, im Privatleben gilt es Händehygiene genauso ernst zu nehmen – besonders auf Reisen, an belebten Orten und bei Infektionsausbrüchen. Seife und Wasser bleiben der Standard für zu Hause, um sich regelmäßig die Hände zu waschen (zumal vor dem Essen und nach der Toilette). Gleichzeitig empfiehlt sich in vielen Situationen, alkoholbasiertes Desinfektionsmittel zu verwenden – wenn es etwa am Zugang zu sauberem Wasser mangelt, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf Flughäfen.

Die WHO und Gesundheitsexperten raten tatsächlich dazu, unterwegs ein Desinfektionsmittel mit sich zu führen; alkoholbasierte Händedesinfektion ist in bestimmten Kontexten ausdrücklich angeregt: bevor Sie Ihr Gesicht anfassen, nach dem Kontakt mit gemeinsam genutzten Oberflächen (wie Türklinken, Touchscreens oder Geld) sowie speziell bei der Krankenpflege zu Hause.

Kurzum: Zu Hause reichen Seife und Wasser für gewöhnlich aus, aber unterwegs ist das alkoholbasierte Händedesinfektionsmittel Ihr bester Schutz.

Zurück zum Gesundheitswesen: Was sind derzeit die größten Herausforderungen, um vor Infektionen zu schützen? Was kann besser werden? Wie lautet Ihr Appell? Lautet dieser Appell für jede Gegend gleich oder gibt es Unterschiede, etwa zwischen Mitteleuropa und dem Rest der Welt?

Pittet: Zu den wichtigsten Herausforderungen in der Infektionsprävention gehört heutzutage, Basismaßnahmen wie Händehygiene überall konsequent zu implementieren – von Hightech-Krankenhäusern in Europa bis hin zu schlecht versorgten Kliniken rund um den Globus. Die Instrumente existieren, Evidenz ist vorhanden. Dennoch untergraben Lücken in puncto Ausbildung, Personal, Infrastruktur und Mitarbeiterführung oft das Weiterkommen. Laut WHO-Daten hapert es in fast jeder zweiten Gesundheitseinrichtung mit der Händehygiene.

In Mitteleuropa sind oft Compliance und Kultur das Thema, in einkommensschwächeren Gebieten hingegen geht es eher um den Zugang und die Ressourcen. Mein Appell? Verankern wir die Infektionsprävention und die Infektionskontrolle fest in den Institutionen und priorisieren wir beides dort auch entsprechend – mit der richtigen Mitarbeiterführung, den richtigen Investitionen und dem richtigen Verantwortungsbewusstsein auf allen Ebenen. Denn jeder Patient verdient überall, sicher versorgt zu sein – und vermeidbare Infektionen sollen niemals passieren.

Die Klimakrise ist global betrachtet eine der größten Aufgaben unserer Zeit. Beeinflusst sie auch die Infektionszahlen? Entwickeln sich neue Risiken? Worauf gilt es zu achten? Wogegen muss sich das Gesundheitswesen wappnen?

Pittet: Ja, die Klimakrise formt die globale Landschaft im Infektionsgeschehen bereits neu. Steigende Temperaturen, extreme Wetterereignisse und sich verändernde Ökosysteme weiten die Verbreitung von Krankheiten aus, welche durch Vektoren übertragen werden [zum Beispiel durch Stechmücken, Zecken und Flöhe, Anm. der Redaktion]. Denguefieber, Malaria und Chikungunyafieber gehören zu solchen Krankheiten; sie können neue Regionen erreichen – auch Teile Europas. Überschwemmungen und Dürren beeinträchtigen außerdem die Sanitärversorgung und den Zugang zu sauberem Wasser. Dies wiederum erhöht das Risiko auf Infektionen, welche durch Wasser übertragen werden. Hinzu kommt das Risiko antimikrobieller Resistenz – sowie das Risiko, dass Krankheiten bei vulnerablen Personengruppen ausbrechen.

Worauf sollen wir uns vorbereiten? Auf eine Welt, in der Krankheiten häufiger ausbrechen. Auf eine Welt, in der Ausbrüche weniger vorhersehbar und schwerer zu kontrollieren sind. Das gilt speziell in Regionen mit schwachem Gesundheitssystem. Infektionsprävention muss heute Klima-Resilienz mit einbeziehen: bessere Überwachung, schnelle Reaktionsfähigkeit, eine solide Wasser- und Hygieneinfrastruktur sowie eine Gesundheitsversorgung, die anpassungsfähig bleibt. Die Botschaft lautet: Wer Infektionen im Zeitalter des Klimawandels bekämpfen will, muss über Mikroben hinausdenken – und sich auf die Stürme vorbereiten, die sie übertragen.
 

Internationales Hagleitner-Hygieneforum 2025

Dieser Fachkongress gilt als Plattform für Hygiene- und Desinfektionsexperten, Ärzte sowie Pflegekräfte; gemeinsam beleuchten sie je Termin ein herausragendes Gesundheitsthema. Seit 2017 findet das Symposium statt, jährlich ist es ein fixer Programmpunkt in Zell am See (Österreich). Das Internationale Hagleitner-Hygieneforum richtet sich an das gesamte Gesundheitswesen: Akut-, Arbeits- und Präventivmedizin, Rehabilitation sowie Langzeitpflege.

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Hagleitner Hygiene International GmbH
Bernhard Peßenteiner, Pressesprecher
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